Samstag, 15. September 2012

Im Schatten der Geschichte



















Interview mit dem Autor Heiko Peter Melle über Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg

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Frage: Herr Melle, Sie haben zusammen mit einem anderen Autor das Taschenbuch „Sturzflüge für Deutschland. Kurzbiografie der Testpilotin Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg“ (GRIN-Verlag) veröffentlicht. Seit wann interessieren Sie sich für das Leben dieser ungewöhnlichen Frau?

Antwort: Prinzipiell interessiere ich mich seit vielen Jahren für zwei Frauen, die im Zusammenhang mit dem Namen Stauffenberg in Verbindung stehen, jedoch leider im Schatten der Geschichte ihr Dasein fristen. Das ist zum einen Alexandrine Gräfin von Üxküll-Gyllenband (Rot-Kreuz-Oberin) und eben Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg, geb. Schiller. Beides sind Persönlichkeiten, die ein Gedenken durch ihre Lebensleistung verdient haben. Melitta ist in diesem Zusammenhang wohl die noch bekanntere Dame, Alexandrine aber nicht uninteressanter.

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Frage: Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg (1903-1945) hat als Testpilotin mehr als 2500 körperlich und seelisch sehr belastende Sturzflüge mit Sturzkampfflugzeugen („Stuka“) aus etwa 4000 bis 1000 Meter Flughöhe unternommen. Ist diese fliegerische Leistung einmalig auf der Welt?

Antwort: Nach meinem Wissensstand ist Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg in jedem Fall die einzige Frau, die solche eine Leistung vollbracht hat. Diese körperliche und physische Beanspruchung ist eben auch im Zusammenhang mit dem damaligen Geschlechterverständnis zu sehen. Das war damals nicht üblich und dazu eben auch für Männer eine ganz besondere Leistung. Es ist mir aber auch kein männlicher Flieger bekannt, der auf eine ähnlich hohe Zahl an Sturzflügen verweisen konnte. Wie besonders Fliegerinnen waren, kann man an verschiedenen Veröffentlichungen sehen, die in den letzten Jahren auf den Markt kamen so auch „Königinnen der Lüfte in Europa“ aus Ihrer Feder, korrekt?

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Frage: Was imponiert Ihnen mehr an Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg: ihre
Erfindungen als Ingenieurin, ihre fliegerischen Leistungen als Testpilotin oder ihre Hilfsbereitschaft als Mensch gegenüber Verwandten, Freunden und Bekannten, die nach dem missglückten Attentat ihres Schwagers Claus am 20. Juli 1944 in Haft kamen?

Antwort: Ich würde sagen, es ist die Mischung die es macht. Sie war eine besondere Persönlichkeit und sollte nicht nur auf ihre fliegerische Leistung reduziert werden. Sie hatte zum Beispiel auch eine künstlerische Ader, wie erhaltene Büsten beweisen. Daneben wird sie als liebenswürdiger Mensch von den Familienmitgliedern beschrieben. Natürlich ist da die Leistung ihrer Forschungstätigkeit, aber auch die tragischen Umstände ihres Todes lenken die Aufmerksamkeit auf sie.

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Frage: Steht Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg, geborene Schiller, im Schatten anderer berühmter deutscher Fliegerinnen wie Hanna Reitsch, Elly Beinhorn oder Thea Rasche, die im Gegensatz zu ihr das „Dritte Reich“ überlebt haben?

Antwort: Größtenteils sehe ich das durchaus so. Bis 2011 war die Biographie von Gerhard Bracke das Einzige, was zu ihrem Leben greifbar war. Erst durch das neu erschienene Buch von Thomas Medicus rückte Melitta erneut in den Focus der Erinnerung. Die überlebenden Fliegerinnen hatten zumindest den Vorteil, auch in der Nachkriegszeit präsent zu sein. Melitta war dies nicht vergönnt, weshalb sie ihre Ansicht zum Regime des Dritten Reiches auch nicht erklären konnte und dieses Thema gerne zu Spekulationen verleitet. Gerade Hanna Reitsch und Elly Beinhorn-Rosemeyer sind uns aus der Nachkriegspresse bestens bekannt, weil sie populäre Höchstleistungen vollbrachten, Melitta dagegen war in der Forschung tätig, nicht gerade ein Bereich, der zur Öffentlichkeitsarbeit geeignet ist.

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Frage: Im Schloss Lautlingen befindet sich die Stauffenberg-Gedenkstätte, die Sie mit aufgebaut haben und in der Sie Führungen vornehmen. Wird dort auch an Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg erinnert?

Antwort: Ja, wenn auch nur nachgeordnet. Die Gedenkstätte wurde zum Thema Gedenken an den 20. Juli konzipiert. Aus diesem Grunde und auch, weil die Platzverhältnisse sehr beschränkt sind, wurde das Gedenken dort auf die Hauptprotagonisten Berthold, Alexander und Claus Schenk Graf von Stauffenberg fokussiert. Dennoch kann man bei Führungen noch einmal gesondert auf besondere Familienangehörige verweisen, was ich selbstverständlich gerne mache.

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Frage: Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg wurde am 8. April 1945 auf dem Flug mit einer unbewaffneten Maschine zu ihrem gefangenen Ehemann von einem amerikanischen Jagdflugzeug abgeschossen und starb kurz nach dem Absturz in der Nähe von Straubing in Bayern. Wird an der Absturzstelle an ihren tragischen und sinnlosen Tod erinnert?

Antwort: Die Absturzstelle nahe Straßkirchen ist heutzutage immer noch ein so unspektakulärer Platz wie 1945. Leider ist weder in Straßkirchen noch im nahen Dorf Loh
eine Erinnerung zu finden. Man kann aber erkennen, weshalb es so einfach war, die Fliegerin Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg vom Himmel zu holen. Freies Feld und daneben nachgerade wie mit dem Lineal gezogen die Bahnlinie, der Melitta vermutlich als Landmarke folgte. In verschiedenen Veröffentlichungen der Straubinger Heimatgeschichte wurde Melitta und der Abschuss allerdings vom Autor Helmut Erwert mehrfach erwähnt. Ihm sind auch Nachforschungen bei früher noch lebenden Zeitzeugen zu verdanken.

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Frage: In Büchern, Zeitschriften, Zeitungen und im Internet ist vieles über Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg zu lesen. Stimmen die Fakten immer?

Antwort: Bedauerlicherweise wird hier sehr viel Unsinn verbreitet. Wie bei allen Personen der Geschichte neigt man leicht zur Legendenbildung. Halbwahrheiten und Spekulationen finden einen guten Nährboden, wenn schriftliche Zeugnisse fehlen. Zeitzeugen gibt es eigentlich keine mehr und leider ist auch das 2012 erschienene Buch von Thomas Medicus nicht der erwartete Glücksgriff, sondern ebenfalls von Spekulationen und Unterstellungen geprägt. Medicus hat tatsächlich sehr gute Recherchen geleistet, macht seinen Verdienst aber durch ungerechtfertigte Spekulationen über die Persönlichkeit und den familiären Hintergrund Melitta´s wieder zunichte. Ich erwarte mit Spannung die 2. Auflage der Bracke-Biographie, die nach wie vor das Standardwerk zu Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg ist.

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Frage: Im Januar 2013 jährt sich zum 110. Mal der Geburtstag von Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg. Wünschen Sie sich hierfür etwas Besonderes?

Antwort: Mein Wunsch scheint Wirklichkeit zu werden. Eine besondere Veranstaltung im 110. Geburtsjahr. In Lautlingen bieten sich die Räumlichkeiten und der geschichtliche Zusammenhang geradezu an. Die Sonderausstellung des Kladower Forums und dazu ein geeignetes Rahmenprogramm, evtl. im Zusammenhang mit der jährlichen Gedenkfeier zum 20. Juli, das wäre mein Wunsch. Derzeit laufen erste Gespräche die hoffen lassen. Hier bestünde dann auch eine Möglichkeit diverse Irrtümer wieder gerade zu rücken und dieser außergewöhnlichen Frau adäquat zu gedenken.

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Frage: Aus Ihrer Feder stammt das 60 Seiten umfassende Werk „Schloss Lautlingen und die Lautlinger Ortsherren“. Wo ist diese Publikation erhältlich?

Anwort: Das farbige Büchlein ist im Eigenverlag erschienen direkt bei mir (E-Mail:
webmaster @ hpmelle.de) oder aber auf dem Ortsamt Lautlingen und in der Stauffenberg-Gedenkstätte Lautlingen erhältlich.

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Das Taschenbuch „Sturzflüge für Deutschland“ von Ernst Probst und Heiko Peter Melle ist erhältlich bei:
http://www.grin.com/de/e-book/199120/sturzfluege-fuer-deutschland

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Lesetipp:
http://www.hpmelle.de/stauffenberg/melitta.html